In diesem Blogeintrag möchte ich einmal genau klarstellen, was überhaupt die Störerhaftung ist und warum sie grade so brisant im Zusammenhang mit Freifunk ist. Grade in den letzten Tagen ist durch das Thema in den Medien ein etwas größeres Interesse geweckt worden, so dass es sich lohnt, einmal über die Thematik (oder viel mehr die Problematik) zu berichten.
Für sich genommen ist die Störerhaftung recht einfach zu erklären:
Die Rechtslage zur Störerhaftung ist im Vergleich zu anderen Ländern in Deutschland einmalig: Ein Betreiber eines offenen Internetzugans (z.B. WLAN) ist für alles haftbar, was (illegales) über seinen Anschluss passiert.
Nehmen wir einmal Laura. Laura wohnt mitten in Oldenburg und ist an der Uni. Sie hat einen Anschluss mit Flatrate, so dass sie so viel und so lange surfen kann, wie sie möchte. Dabei hat sie eine DSL-Leitung mit 16 Mbits gebucht. Aber als Student brauch man so eine hohe Internetgeschwindigkeit eigentlich gar nicht, es war halt der günstigste Anschluss den sie buchen konnte. Nun, da Laura sich selbst immer über einen freien Internetzugang bei Freunden, Bekannten oder aber auch auf offener Straße freut, lässt sie ebenfalls ihr WLAN unverschüsselt, so dass sich jeder, der möchte, in ihr WLAN mit einloggen und kostenlos surfen kann. Bis dahin eine Klasse Idee! Nun entdeckt aber auch Florian mit seinem Laptop das freie WLAN und läd darüber die neusten und angesagtesten Songs herunter. Es dauert einige Zeit, bis Laura dann ein Brief in den Postkasten flattert. Darin ein Schreiben auf dem Schadensersatzgelder und Unterlassungserklärungen verlangt werden. Sie wird für etwas Strafbar gemacht, was sie gar nicht begangen hat.
Ein Ding der Unmöglichkeit, wie viele Freifunker es sehen. Daher setzt sich die Freifunk-Community grade in Deutschland dafür ein, dass es an immer mehr stellen Zugang zum globalen Netz, dem Internet, gibt. Freifunker pochen darauf, dass ein Zugang jedem möglich sein soll, egal in welcher sozialen Schicht er sich befindet und unabhängig vom monatlichen Gehalt oder anderen Faktoren. Warum das grade in Deutschland so wichtig ist, beruht darin, dass diese Gesetzmäßigkeit lediglich in Deutschland so besteht. In anderen Ländern gibt es ein Gesetz, in dieser Form, nicht.
In diesem Zusammenhang besteht auch die technische Hürde, die wir in Deutschland nehmen müssen, damit wir genau das möglich machen können: freies WLAN für alle überall anbieten zu können. Der gesamte Datenverkehr wird ab dem Router per VPN verschüsselt und über den uns zur Verfügung gestellten Internetanschluss zu einem unserer Gateways weitergeleitet. Das sind Server, zu denen sich alle Freifunk-Knoten hin verbinden und über denen es dann weiter geht zu weiteren Servern im Ausland. Denn dort existiert ein Gesetz, wie wir es hier in Deutschland haben, nicht, so dass es ohne bedenken dort anonymisiert ins Internet fließen kann. So schützen wir uns selbst gegen unsere eigenen Gesetze und Anwälte.
Da dieser Umstand aber auf Zeit gerechnet sehr teuer ist, suchen Freifunker nach anderen Lösungen. Nun schon seid Jahren kämpfen die Freifunker gegen das Gesetz der Störerhaftung. Vor 2 Jahren machte die Berliner Freifunk-Community mit so genannten Freifunk-Freedom-Fighter-Boxen auf sich aufmerksam und sorgten damit für ein größeres Mediales Interesse. Sie verteilten WLAN-Router in der Innenstadt, die sie durch Routerspenden erlangt haben. Mit einer extra für diese Router programmierten Software, spannen sie Hotspots auf. Jeder der sich dort einloggte, wurde zu aller erst auf eine Website, die über die Problematik aufmerksam machte, umgeleitet. Im Berliner Freifunkerblog wurde genauer über das Thema berichtet.
Nun gibt es in letzter Zeit wieder Bewegung im Thema Störerhaftung: Ein neuen Gesetzesentwurf von Sigmar Gabriel will die Störerhaftung zumindest teilweise lockern, heißt es in einem Artikel, welchen die Rheinische Post veröffentlicht hat. So arbeitet man aktuell „an einem Referenzentwurf, der zeitnah in die Resortabstimmung eingereicht“ werden soll.
Ein Schritt in die richtige Richtung, doch die Freifunker wollen mehr! Problem des ganzen ist und bleibt dann (so wie es aktuell aussieht), das lediglich Café und Hotelbesitzer von dieser Gesetzesregelung gebrauch machen können, nicht aber Privatpersonen.
Sika auf Twitter über den Rückzug der Anwaltskanzlei ‚Waldorf und Frommer‘
Eigentlich sind aber grade Privatbesitzer von dem Gesetz betroffen, doch trifft es sie, wenn das Gesetz nach aktuellem Stand so verabschiedet wird, noch dicker. Denn aktuell ist im Gesetz nicht genau festgehalten, wer genau unter die Störerhaftung fällt und wer nicht. Die Linie zwischen einer Privatperson, die bewusst ihr WLAN für andere öffnet, und einem Telekommunikationsunternehmen, welches die gegen Bezahlung Zugänge anbietet, ist nicht genau gesteckt. So muss im Moment immer noch das Gericht entscheiden, ob dieser Urheberrechtliche Fall nun dem einen oder dem anderen Zugeordnet werden kann. Deshalb konnte es vorkommen, dass auch Privatpersonen von der Störerhaftung befreit werden können. Sollte nun das Gesetz so verabschieden werden, wir es der Gesetzentwurf aktuell hergibt, werden Café- und Hotelbesitzer klar auf die Providerebene geschoben und Privatpersonen sind nun definitiv der Störerhaftung unterworfen.
Aber nicht nur der neuen Gesetzesentwurf steht aktuell zur Debatte. Aktuell haben sich Freifunk-Coummunitys zusammen geschlossen, darunter Freifunk Berlin und Freifunk Rheinland, um Freifunker aus Berlin bei ihrem Rechtsstreit und den Kampf gegen die Störerhaftung (auch finanziell) zu unterstützen. Dabei haben die beiden Freifunker ihr WLAN bewusst für andere geöffnet und sich damit der Gefahr ausgesetzt, dass dritte über ihren Anschluss surfen können und dabei illegale Downloads oder File-Sharing Dienste im Netz benutzen. Zeitnah, nachdem sie ihr Netz geöffnet hatten, „flatterte“ auch schon eine Abmahnung ins Haus, die sie dazu aufforderte, Schadensersatz zu leisten und Unterlassungserklärungen zu unterschreiben.
Darauf hin haben die beiden gegen die Forderungen Widerspruch eingelegt und über das Zivilgericht eine negativ Feststellungsklage eingereicht, um zu klären, ob die Abmahnung so in ihrem Art überhaupt rechtens ist. Prompt hat ‚Walldorf Frommer‚, die Anwaltskanzlei, die Anklage fallen gelassen und auf weitere Forderungen verzichtet. Nahezu ein Paradebeseipiel, um zu zeigen, wie unsicher die Gesetzeslage zum einen für die Firmen und deren Anwälte, aber auch für Privatpersonen ist. Der Ausgang ist aber bis jetzt noch unsicher. Im Hinblick darauf kann man aber auf ein positives Ende für die Freifunker hoffen.
Weiterführende Links:
Heise – Freifunker wehren sich juristisch gegen Abmahner
Freifunkstattangst – Für die komplette Abschaffung der Störerhaftung
Fefes Blog – Freifunk und die Störerhaftung Freifunk.net – Freifunk-Freedom-Fighterbox gegen Störerhaftung und Abmahnwahn